Zitat von Roger Willemsen und Foto

»Ich habe Musik mitgebracht.« Roger Willemsen

Roger Willemsens Hommage an die Musik

Keine andere Kunst nahm Roger Willemsen so persönlich wie die Musik: Sie war von früh an Komplizin, als es darum ging, das Leben zu verdichten. Willemsens Liebeserklärungen an den Jazz, seine Verbeugungen vor den klassischen Komponisten, seine scharfe Verteidigung der künstlerischen Existenz, vor allem aber sein tiefes Verständnis für die Musiker und ihre Themen sind legendär. Seine einzigartigen Texte »über Musik« sind weit mehr als das: Sie sind Ausdruck eines Lebens »entlang jener Linie, an der man Dinge macht, die aus Freude bestehen oder aus Aufregung, aber nie aus Gleichgültigkeit«. Roger Willemsens Hommage an die Musik und ihre Heldinnen und Helden gibt einem das Gefühl, am Leben zu sein.

Musik!

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Leseprobe

Musik! Über ein Lebensgefühl

Stille

Wo vom Wesen die Rede ist, so lehrt die Philosophie, ist vom Ursprung die Rede. Wenn von den stillen Momenten eines Lebens also gesagt wird, etwas Wesentliches trete in ihnen zutage, so ist auch gemeint, etwas Ursprüngliches zeige sich. Dies aber bezeichnet nicht die conditio humana allein – wir kommen aus der Stille und gehen wieder in sie ein – , es bezeichnet die Bedingungen jeder künstlerischen Hervorbringung: Die leere Leinwand schweigt, das weiße Blatt tut es, Ruhe tritt ein, bevor der erste Ton gespielt wird, und der letzte liefert sich ihr wieder aus. Stille ist der Zustand, in dem Musik geboren wird. Was immer sie sagt, ist sie doch auch komponiertes Schweigen und zieht sich selbst auf immer neue und originelle Weise ins Unhörbare zurück, ja, der Musik kann es sogar gelingen, die Stille zu vertiefen durch ihr Sprechen. In keinem Werk aus den frühen Jahren der klassischen Musik ist das so fassbar wie in dem von Johann Sebastian Bach, dessen Sonaten und Partiten für Solo-Violine geradezu als Ergründungen einer Stille erfahrbar sind, die beides kennt: die Strenge der Architektur, die Zartheit der Schwärmerei. Musik berührt hier ihre Voraussetzungen, ihren Ursprung im Schweigen und ihre Neigung, in dieses heimzukehren.

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Roger Willemsen - Wer wir waren

Roger Willemsens letztes Buch sollte ›Wer wir waren‹ heißen. Es sollte die Versäumnisse der Gegenwart aus der Perspektive derjenigen erzählen, die nach uns leben werden. Dieses Buch werden wir nie lesen können. Umso stärker wirkt eine Rede, die Roger Willemsen noch im Juli 2015 gehalten hat: Sie ist nicht nur das melancholische Resümee und die scharfe Analyse eines außergewöhnlichen Zeitgenossen, sondern zugleich das leidenschaftliche Plädoyer für eine »Abspaltung aus der Rasanz der Zeit«. Sie ist ein Aufruf an die nächste Generation, sich nicht einverstanden zu erklären.
Roger Willemsen hat diese Rede am 24. Juli 2015 gehalten. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt.

»Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.«
Roger Willemsen

Wer wir waren

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